Sprachpolitik und Transformation im 21. Jahrhundert

Geschichte und Geschichten

Der Begriff »Politische Korrektheit« hat bereits eine bewegte Geschichte hinter sich. Zur Zeit des nationalsozialistischen Regimes bezog er sich auf die Ansichten eines »reinen Ariers«. Er wurde gebraucht, um die Parteilinie in marxistisch-leninistischen Kreisen zu verorten – was »korrekt« und somit sagbar war, bestimmte die Kommunistische Partei. In den 1940er und 50er Jahren verwendeten Sozialisten den Begriff, um sich selbst als egalitär und moralisch zu positionieren, um sich von dogmatischen und gefühlskalten Kommunisten abzugrenzen.

Seit den 1970ern wurde der Begriff der politischen Korrektheit auf ironische Weise in Studentenzirkeln, der Neuen Linken, bei Feministinnen und Progressiven gebraucht. Wenn wir die ideengeschichtliche Entwicklung mitverfolgen, verstehen wir auch die Gegenbewegung, die sich heute zeigt, besser, und dies durchaus im Sinne von Marx‘ berühmtem Satz, es sei »nicht das Bewusstsein des Menschen, das ihr Sein, sondern umgekehrt ihr gesellschaftliches Sein, das ihr Bewusstsein bestimmt«. Doch so einfach ist es nicht. Auf ihre Weise hatten Hegel und Marx (der ihn »vom Kopf auf die Füße stellte«) Recht mit dem was sie sagten, auch wenn sie sich scheinbar widersprachen. Ganz nach dem Motto: Das Gegenteil einer tiefen Wahrheit ist eine andere tiefe Wahrheit.

So scheint es auch bei den Gruppen zu sein, die Sprachregelungen und -verordnungen befürworten oder kritisieren. Die Absicht derer, die zu »politischer Korrektheit« anhalten wollten, wurde im Laufe der Zeit durch die Begriffsverschiebung entstellt – diese Absicht hatte darin bestanden, gesellschaftliche Minderheiten davor zu schützen, durch sprachliche Strukturen missachtet oder unterdrückt zu werden. Die politische Rechte konnotierte den Begriff neu und sorgte dafür, dass er in der breiten Bevölkerung in abwertendem Sinn verwendet wurde. Der eigentliche Sinn, nämlich Menschenwürde, Respekt und Achtung vor der Meinung anderer, wurde dadurch verdeckt.

In diesem Zusammenhang möchte ich die von dem Philosophysiker Herbert Pietschmann benannte »HX-Verwirrung« erwähnen. In seinem empfehlenswerten Buch Vom Spaß zur Freude erklärt der Autor in äußerst anschaulicher und einprägsamer Weise, wie das Verurteilen von Extremen bei den (persönlich oder politisch) Anderen, die als Gegner wahrgenommen werden, stets dazu dient, selbst als relativ gemäßigt zu erscheinen.

Die begründeten und grundsätzlich positiven politischen Aussagen »Schluss mit Rassismus«, »Schluss mit Sexismus« werden von Vertretern der politischen Rechten ignoriert. Eine themenbezogene Debatte wird verhindert. Indem die Bevölkerung dahingehend beeinflusst wird, die Aussage als Angriff auf die freie Meinungsäußerung zu werten, wird die eigene Position gegen jegliche Angriffe immunisiert, weil die »Angriffe des linken Lagers« von den »politisch Korrekten« stammen.

So funktionieren Ablenkungsmanöver, Neuroprogrammierung und politisches Framing.

Die Neuroforscherin und Linguistin Elisabeth Wehling erläutert in einem Vortrag Politisches Framing

Der Elephant und der Esel

Zunächst muss klar sein, wie viel an kulturellen Gewohnheiten und politischen Ansichten (so ungern wir das wahrhaben wollen) über den Großen Teich zu uns herüberschwappt. In den Vereinigten Staaten von Amerika wird »political correctness« seit der ersten Hälfte der 1990er Jahre verwendet, und zwar in der zuvor erwähnten zwiespältigen Weise. Du erinnerst dich. Die einen riefen »Diskrimierung!«, die anderen riefen »Zensur!«.

Diese Bipolarität – pun intended – spiegelt sich in der scheinbaren Wahl zwischen Republikanern und Demokraten, tertium non datur, wider. Mit anderen Worten, die Bevölkerung hat keine Wahl, sich dem »elephant-or-donkey game« zu entziehen. Diese zwangsläufige Entscheidung, auf welcher Seite du stehst – und bist du nicht für uns … so bist du gegen uns (!) – bestimmt das gesamte Spektrum politischer Kommunikation.

Wenn wir uns die Geschichte der einander ausschließenden Symbole des Elephanten und des Esels als Repräsentanten der politischen Parteien Nordamerikas vergegenwärtigen, erkennen wir mitunter, dass auch diese Begriffe daraus entstanden sind, dass die Definitionsmacht nach einer verbalen Attacke (»Jackson, you‘re a jackass!«) im Sinne des Empfängers angeeignet und der Bedeutungsinhalt positiv umgedeutet worden ist.

2 Kommentare zu „Sprachpolitik und Transformation im 21. Jahrhundert

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